Frauenquote für Vorstände ist da

Warum sie sinnvoll und hilfreich ist

Die Frauenquote lenkt den Blick auf bestehende Widersprüche: Wunsch und  Willen klaffen bei der Zusammensetzung vieler Vorstände und Entscheidungsgremien weit auseinander. Foto: Andrea Piacquadio (pexels.com)

Das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst ist beschlossen. Ab sofort muss in Unternehmensvorstände mit mehr als drei Mitgliedern mindestens eine Frau sitzen. Die Frauenquote in Vorständen ist damit verbindlich.

Die Diskussionen darüber laufen bereits seit Jahren und die Positionen stehen sich unvereinbar gegenüber: Befürworter*innen sehen in ihr ein wirkungsvolles Mittel, um strukturelle Benachteiligungen auszugleichen. Freiwilligkeit habe keinerlei Verbesserungen gebracht. Skeptiker*innen dagegen stellen die Quote als Eingriff in die unternehmerische Freiheit grundsätzlich in Frage. Außerdem stünden Frauen heute alle Positionen in gleichem Maße wie Männern offen, was die Quote überflüssig mache.

Philosophische Überlegungen zur Quote, die überzeugen

Bei meiner Beschäftigung mit dem Thema bin ich auf überaus interessante und grundsätzliche Überlegungen der Philosophin Katrin Wille gestoßen. Dass sie eine Quotierung nach Geschlecht befürwortet, wird schnell erkennbar. Ebenso schnell erkennbar wird, worin sie ihren großen Vorteil sieht: Die Quote deckt notorische Ambivalenzen auf und befördert die Trennung von Geschlecht, Leistung und Karriereverläufen.

Zwar hat sie den Artikel, auf den ich mich beziehe, bereits 2013 veröffentlicht. Die scharfsinnige Analyse halte ich nach wie vor für aktuell und zutreffend.

Den Gegner*innen der Quote hält Kartin Wille die anhaltenden Widersprüche zwischen 1. formalrechtlichen Gleichstellungsvorgaben, 2. der stetig wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz und Anerkennung gleichberechtigter Teilhabe aller Geschlechter und 3. der fortdauernden Realität struktureller Ungleichheit entgegen.

Die nach wie vor herrschende Ungleichheit will sie jedoch nicht mit einem Verweis auf mangelnde Karriereambitionen von Frauen erklärt wissen (ein allzu oft vorgebrachtes Argument). Vielmehr führt sie den geringen Frauenanteil auf Vorstandsebene auf eine anhaltende Polarität zwischen Wunsch und Willen in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit zurück.

Das bedeutet: Man könne zwar allgemeine Grundsätze für richtig halten, gleichwohl aber nicht danach handeln, wenn das, was allgemein gewünscht wird von dem, was real gewollt wird, erheblich abweicht.

Frauen in Führung – nur gewünscht oder wirklich gewollt?

Deshalb müsse man kritisch fragen, ob Frauen in Führungspositionen nicht nur gewünscht und für an sich selbstverständlich gehalten werden, sondern ob eine Erhöhung des Frauenanteils wirklich gewollt wird, vor allem dann, wenn dies Veränderung der Wirklichkeit erfordert.

Oder anders formuliert: Ist Geschlechtergerechtigkeit auch um den Preis struktureller und kultureller Anpassung der Arbeitswelt an neue Bedürfnisse und Lebensbedingungen wirklich gewollt?

Die Argumente, dass Frauen grundsätzlich alle Positionen offenstehen, bezeichnet Wille als „Verdeckung“. Sie versperren den Blick auf die Kategorie des Wollens. Mehr noch: Sie schreiben in Willes Lesart die strukturelle und kulturelle Ungleichheit weiter fort.

Qualitätskriterien und Geschlecht werden noch oft verwechselt

Die Frauenquote erscheint Wille deshalb als geeignetes Instrument, mit dem es gelingen kann, genau diese Ambivalenz zwischen Wunsch und Willen sichtbar zu machen und schließlich zu überwinden. Sie geht davon aus, dass erst eine Quote die implizit wirksamen Ausschlussdynamiken explizit und sichtbar macht. Sie zwingt dazu, das Kriterium Geschlecht aus der Vermengung mit Qualitätskriterien zu lösen.

Erst, wenn 30 bis 50 Prozent Frauen eingestellt werden müssen, wird es unwahrscheinlicher, Qualitätskriterien und geschlechtsspezifische Habitusformen, die über Zugehörigkeit und Ausschluss mitentscheiden, zu verwechseln. Stattdessen steigen die Chancen, Geschlechtszugehörigkeit und die Zuschreibung von Fähigkeiten und Eigenschaften schärfer voneinander zu trennen.

Mit der Quote können sich tradierte Praxisformen verändern

Und auch erst dann, wenn 30 und mehr Prozent Führungskräfte Frauen sind, hält Katrin Wille die notwendige Veränderung tradierter Praxisformen für möglich. Erst wenn genug Frauen eine andere Notwendigkeit, Arbeits- und Lebensbedingungen auszubalancieren, in die Institutionen hineintragen und  Praxisanpassungen einfordern und leben, werden diese sich ändern.

Der Weg führt über die Frauen- zur Genderquote

Für die nächste Zukunft empfiehlt Katrin Wille, die Frauenquote zur Genderquote auszuweiten und eine Männerquote in Care-Berufen einzuführen, damit „unsere Kinder von Männern und Frauen das Lesen und Schreiben beigebracht bekommen und unsere milliardenschweren Unternehmen von Männern und Frauen geführt werden.“ Und natürlich von Menschen dritten Geschlechts.

Das weitere Gesetzgebungsverfahren zur Ergänzung und Änderung der Regelungen zur Frauenquote läuft. Mit seiner Verabschiedung ist noch in dieser Legislaturperiode zu rechnen. Ebenso ist mit weiteren hitzigen Diskussionen zu rechnen. Mit Katrin Willes Überlegungen können diese mit einem etwas anderen Fokus betrachtet werden.

Wille, Katrin (2013): Notorische Ambivalenzen: Die Quote als Reflexionsinstrument. In: DZPhil 61, Heft 5/6, S. 833f.

Hier finden Sie den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionen-Gesetz – FüPoG II)


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