Vielfalt wahrnehmen, schützen, nutzbar managen. Diversity Management changiert zwischen Antidiskriminierungs- und Ressourcenperspektive, zwischen Gesetzesnorm und Unternehmensinitiative. Was genau unter Vielfalt und Diversity Management gefasst und angestrebt wird, ist kontextabhängig. Wibke Frieß, Anna Mucha und Daniela Rastetter haben genau diese Bedeutungsvielfalt zum Ausganspunkt genommen, sich mit der Unterschiedlichkeit der Konzepte kritisch auseinanderzusetzen, aktuelle Entwicklungen zu diskutieren und notwendige Interventionen und Korrekturen anzuregen.
Besonders kritisch sehen die Autor*innen, dass mit dem Begriff und dem Verständnis von Diversity das andere zu schnell in seiner Andersartigkeit festgeschrieben wird und Kategorisierungen Vorschub geleistet wird, sich der Blick auf ungleiche Teilhabechancen und problematische Diskriminierungsmechanismen verschleiert. Der Begriff Diversity ist, so die Autor*innen, „ein sehr „einheitsfähiger Begriff“, der Wertschätzung fordert anstatt Probleme aufzuzeigen – in diesem Duktus ist er ein allzu bequemer Begriff, der nicht von Diskriminierung, Rassismus oder Sexismus reden muss.
So werde, einer der Hauptkritikpunkte der Autor*innen an der aktuellen Entwicklung, Diversität als Trendthema zu schnell zelebriert und als Mittel zum Zweck von Unternehmenszielen und Gewinnoptimierung ökonomisiert. Vielfalt laufe so dauerhaft Gefahr, leeres Signifikat zu werden und Ungleichheitsstrukturen eher zu verfestigen als aufzuweichen.
Daraus wiederum leiten die Autor*innen die Notwendigkeit ab, das Konstrukt- und Konzeptverständnis schärfer zu konturieren. Als notwendig erachten sie die Entwicklung eines „intersektionalen, antiessentiellen und selbstreflexiven Verständnisses von Diversity, das nach Privilegien fragt, Zielgruppenbenennungen diskutiert, Tabus von Rassismus und Sexismus reflektiert und sich eindeutig als antidiskriminierungspolitisch positioniert“.
Was das in der Praxis konkret bedeutet, diskutiert u.a. Daniela Rastetter am Beispiel von Digitalisierung. So sieht Rastetter in der Digitalisierung durchaus Chancen für Antidiskriminierung und die Förderung von Vielfalt gegeben. Durch den sozialen und kulturellen Kontext, in dem Digitalisierung stattfindet, sind diese Chancen zugleich aber auch bedroht, was wiederum, so der Beitrag von Rastetter, erfordert, die Auswirkungen von Digitalisierung auf Chancengleichheit und Vielfaltsförderung fortwährend zu reflektieren und Fallstricke zu entlarven.
Meine Einschätzung: Ein wichtiges Buch zum rechten Zeitpunkt! Unbedingt lesen, Ergebnisse mit der eigenen Praxis abgleichen und Impulse nutzen!
Frieß, Wibke, Anna Mucha u. Daniela Rastetter (Hrsg.) (2020): Diversity Management und seine Kontexte. Celebrate Diversity?! Opladen u.a.: Verlag Barbara Budrich.