Buchrezension: Frauen in Führungspositionen von Julia Jane Tonn
Julia Jane Tonn erprobt in ihrem Buch „Frauen in Führungspositionen“ theoretische Modelle zur Erklärung organisatorischer Ungleichheitsstrukturen. Hierzu führte sie in vier DAX Unternehmen strukturierte Experteninterviews mit Frauen und Männern. Jedes der von ihr erprobten Erklärungsmodelle lieferte eine Reihe von Erkenntnissen, mit deren Hilfe die bekannte Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen abgebaut werden könnten.
Das sogenannte Kantersche Organsiationsmodell verdeutlicht, dass eine Vielzahl von vermeintlich typisch frauenspezifischen Problemstellungen in ihrem Kern geschlechtsneutral sind. Für Männer und Frauen sind sie jedoch unterschiedlich wirksam. Beispiel hierfür sind die klassischen Vereinbarkeitsthemen der Teilzeit und der Elternzeit, die unterschiedlich bewertet werten, je nachdem ob eine Frau oder ein Mann Arbeitszeitreduzierung oder eine Freistellung beantragen. Mittels des Kanterschen Erklärungsmodells wird sichtbar, wie in der Interaktion organisationaler Gruppen beziehungsweise im Kontakt zwischen Führungskraft und beschäftgter Person die geschlechtsspezifische Aufwertung grundsätzlich geschlechtsneutraler Handlungen stattfindet.
Mittels des gendered Organistionsansatzes zeichnet Tonn die organisationsinterne Herstellung und Reproduktion von Geschlechterungleichheiten nach, die auch dann noch entstehen, wenn die Organisationen Geschlechtsneutralität anstreben. Mittels dieses Ansatzes verdeutlicht die Autorin, die Mechanismen, die dazu führen, dass der Unterschied zwischen den Geschlechtern mit jeder Hierarchieebene weiter steigt.
Das Konzept der sozialen Netzwerke fokussiert vor allem auf das unterschiedliche Netzwerkverhalten von Männern und Frauen. Tonn zeigt, dass bei allem Veränderungswillen die organisational relevanten Akteur_innen nach wie vor vorrangig Kontakte zu Personen pflegen, die ihnen ähneln und sich dies bis in die Auswahl von Führungskräften fortsetzt. Zudem kann die Autorin mit diesem Ansatz zeigen, dass das Netzwerkverhalten von Männern nach wie vor deutlich karriereförderlicher wirkt als jenes von Frauen. Wenig Erkenntnisse brachte die Arbeit mit dem Theorem des Neo-Institutionalismus.
Keiner der theoretischen Ansätze kann für sich allein genommen die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen erklären. Sie tragen aber zu einem besseren Verständnis der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei.
Das Buch empfiehlt sich für alle, die mit betrieblicher Gleichstellung, Diversity und der Umsetzung eines familienbewussten Personalmanagements befasst sind.
Julia Jane Tonn (2016): Frauen in Führungspositionen. Ursachen der Unterrepräsentanz weiblicher Führungskräfte in Unternehmen, Wiesbaden: Springer VS Verlag für Sozialwissenschaften