Debatten um die Bildungsverlierer Jungen motivierten zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Formierung maskulistischer Vereine, die gegen feministische, vermeintlich männerfeindliche Prägungen der Gesellschaft anschrieben und argumentierten. Sie schufen das Narrativ des Feminismus als männerfeindliches wie widernatürliches Projekt, das u.a. die bildungspolitische Benachteiligung von Jungen in sich trage. Volker Zastrows Artikel in der FAZ vom 20.6.2006 verstehen Wissenschaftler*innen im Rückblick als Auftakt kampagnenartiger Angriffe gegen „Gender“ und eine Gleichstellungspolitik, die sich an geschlechtlicher und sexueller Vielfalt orientiert. Die unterschiedlichen Argumentationsstränge laufen in der Erfindung des Begriffs „Genderismus“ zusammen. Im Selbstverständnis definieren sich die antifeministischen Akteur*innen als „Anti-Genderisten“.
Wissenschaftler*innen sprechen inzwischen von organisiertem Antifeminismus, betonen aber gleichzeitig, dass es sich hierbei nicht um ein homogenes Projekt handelt. Vielmehr verberge sich hinter dem organisierten Antifeminismus ein breites Spektrum unterschiedlicher Akteur*innen. In ihren Positionen zu geschlechtlicher, sexueller und familialer Vielfalt vergemeinschaften sie sich zwar über geteilte Versatzstücke antifeministischer Diskurse sowie über ihre Herkunft, ideologische Verankerung und Zielsetzung. In ihrer politischen und religiösen Ausrichtung gehören sie jedoch ganz unterschiedlichen Milieus an und weichen auch in ihren jeweiligen Begründungszusammenhängen auffallend voneinander ab.
Juliane Land und Ulrich Peters bündeln in ihrem Sammelband Analysen zu antifeministischem Denken im deutschsprachigen Raum. Die Beiträge befassen sich mit den ideologischen Hintergründen für das Erstarken antifeminsitischen Denkens. Sie zeichnen Diskursinhalte und Deutungsmuster nach und nähern sich in dichter Beschreibung dem Profil und der Zielsetzung repräsentativer Aktionsgruppen und antifeministischer Netzwerke. Clemens Fobian und Rainer Ulfers beschreiben die Auswirkungen antifeministischer Argumentation auf die Präventionsarbeit und die Beratung von Männern, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Ratick Wielowiejski problematisiert die Nähe antifeministischer und antimuslimischer Haltungen, Jonas Fedders die Verschränkung von Antifeminismus und Antisemitismus. Die Beiträge entlarven auf eindrückliche Weise,wie sehr sich im Antifeminismus Tendenzen grundsätzlicher Diskriminierung und Ablehnung des Anderen zeigen. Wir empfehlen das Buch unbedingt zur Lektüre.
Juliane Lang, Ulrich Peters (Hg.): Antifeminismus in Bewegung. Aktuelle Debatten um Geschlecht und sexuelle Vielfalt. Marta Press, 2018