Aus der Praxis

Familiengründung während der Qualifizierung

Das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) bietet Entlastungsmaßnahmen für Familien.

Eine Familiengründung während der Qualifizierung kommt am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf nahe Rostock für immer mehr junge Frauen und Männer in Frage. Das Institut bietet Unterstützung für Nachwuchswissenschaftler*innen und hat in den letzten drei Jahren eine Reihe von Entlastungsmaßnahmen für den wissenschaftlichen Nachwuchs mit Familie auf den Weg gebracht. Die Zahl der Schwangerschaften und Elternzeiten ist seitdem merklich angestiegen. Mit Stichtag vom 25.4.2017 waren 24% der arbeitsvertraglich gebundenen Promovierenden schwanger oder waren bereits Eltern. Nicht sichtbar sind die in den letzten drei Jahren ausgeschiedenen Eltern, die in der Endphase der Promotion eine Familie gegründet haben.

Flexibilisierung und Kulturwandel befördern Vereinbarkeit

Vorstand Prof. Dr. Klaus Wimmers führt dies auf zweierlei Entwicklungen zurück. Zum einen habe sich ein Unternehmensklima etabliert, das Familien willkommen heißt und zur Familiengründung auch schon während der Qualifizierungsphase ermutigt. Zum anderen zielen die Entlastungsangebote des FBN vor allem auf die nötige und nachgefragte Flexibilisierung der Arbeit, die Erhöhung der Planungssicherheit und die Verbesserung der Zukunftsperspektiven ab.

Mit flexiblen Arbeitszeiten und familienbewusstem Führen lässt sich punkten

So sind in den letzten drei Jahren die Möglichkeiten, die Arbeitszeit flexibel gestalten zu können, ausgeweitet worden. Zentrale Anlaufstellen im Personalbereich zur Erstberatung haben sich etabliert. Die Zahl der Beratungen ist fühlbar gestiegen. Auch informiert das FBN die Doktorand*innen bereits bei Einstellung über die bestehenden Unterstützungsangebote und hält für die bereits Beschäftigten vielfältige Informationsangebote vor. Vereinbarkeitsbelange können Beschäftigte jederzeit bei ihren jeweiligen Führungskräften ansprechen, ebenso im Rahmen des jährlichen Mitarbeitergesprächs. Für die Führungskräfte dienen die gemeinsam erarbeiteten „Leitlinien zum familienbewussten Führen“ der Orientierung.

Unterstützung der Elternzeiten sollte selbstverständlich sein

Dass auch Väter Elternzeit nutzen, ist am FBN inzwischen Selbstverständlichkeit. Mütter wie Väter können sich von der Personalabteilung zu Mutterschutz und Elternzeit beraten lassen. Über einen Online-Zugriff auf die dienstliche E-Mail-Adresse bleibt der Informationsfluss auch während der Freistellung erhalten. Man freut sich, wenn die jungen Eltern auch während der Freistellung an Betriebsausflügen und sonstigen Veranstaltungen teilnehmen.

Planungssicherheit und Zukunftsperspektiven ermutigen

Besonders punktet das FBN bei seinem wissenschaftlichen Nachwuchs mit der standardmäßigen Realisierung einer dreijährigen Promotionszeit, der Verlängerung der Promotionszeit für am FBN tätige externe Stipendiaten durch eine Abschlussfinanzierung und der Kopplung von Nachwuchsgruppenleitungsstellen mit einer Tenure-Track-Möglichkeit. Darüber hinaus berücksichtigt das FBN bei der Ausschreibung unbefristeter Stellen bei gleicher Qualifikation insbesondere Bewerbungen der befristet Beschäftigten. Es fördert gezielt die Teilnahme von Doktorandinnen mit Kindern am Mentoring-Programm der Leibniz-Gemeinschaft. Darüber hinaus gewährt das FBN gerade Wissenschaftlerinnen mit Kleinkindern Planungssicherheit durch entsprechende Nachteilausgleiche im Publikations- und Internationalisierungskonzept. Zielvereinbarungen passt das Institut der individuellen Karriereplanung entsprechend an.

Solide Konzepte zeigen Wirkung – ein Fallbeispiel

Eine Doktorandin, die von all diesen Maßnahmen profitiert, ist Frau F. Wie sie uns erzählt, ist sie seit 2012 verheiratet. Ihre Tochter kam im Juli 2014 zur Welt. Ein paar Monate später bewirbt sie sich auf eine Promotionsstelle am FBN und wird eingestellt. Auch ihr Mann arbeitet vollzeitig. Die Familie wohnt in Rostock, beide Elternteile pendeln täglich an ihre Arbeitsstätten.

Ohne partnerschaftliche Arbeitsteilung geht es nicht

Die Tochter wird von einer Tagesmutter betreut. Da die Großeltern alle weit entfernt leben, können sie die Familie nicht regelmäßig unterstützen. Frau F. und ihr Mann haben sich auf eine partnerschaftliche Arbeitsteilung in Beruf und Familie verständigt. Beide streben sie eine wissenschaftliche Laufbahn an. Normalerweise bringt Frau F.s Mann die Kleine morgens zur Tagesmutter. Frau F. holt um 16 Uhr ab. Dafür startet sie morgens um 7:00, damit sie 15:30 pünktlich vom Institut nach Rostock losfahren kann. Ihre Arbeit organisiert sie um die Betreuungszeiten ihres Kindes.

Mobiles Arbeiten entlastet bei der Alltagsorganisation

Entlastend findet sie es deshalb, wenn sie trotz Anwesenheitspflicht auch mal von zu Hause aus über die Remoteverbindung auf den Rechner im Büro zugreifen und arbeiten kann. Etwa um abends oder an Gleittagen Sachen in Ruhe fertig machen zu können. Das hilft besonders, wenn sie Manuskripte schreiben muss, was, wie sie findet, auch sehr einfach zu kontrollieren ist. Frau F. fände sich noch mehr entlastet, wenn das FBN in den nächsten Jahren die Möglichkeit zum dezentralen Arbeiten ausweiten und auf eine formale Grundlage stellen würde. Es würde ihr erlauben, ihren Arbeitstag noch bedarfsgerechter zu strukturieren und die partnerschaftliche Arbeitsteilung mit ihrem Mann weiter zu entwickeln. Anfangs war auch das Mutter-Kind-Zimmer des FBN eine große Hilfe. Jetzt, so erzählt Frau F., ist ihre Tochter schon zu alt und beschäftigt sich in so einem Zimmer nicht mehr so lange alleine. In den ersten Monaten am FBN konnte sie jedoch nebenbei sehr effektiv arbeiten.

Familiengründung während der Qualifizierung entzerrt den Rush Hour des Lebens

Was sie motiviert hat, während der Qualifizierungsphase Familie zu gründen, frage ich weiter. In der Wissenschaft ist es später auch nicht einfacher Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, meint sie. Jetzt habe sie einfach noch mehr Energie. Außerdem möchte sie später keinen Druck haben, dass „die Zeit rennt und ich noch Kinder kriegen wollte“. Mit dem FBN im Rücken habe sie auch nicht das Gefühl, dass eine Familiengründung in der Qualifizierungsphase Nachteile mit sich bringt. Die Publikationskonzeption, die Gespräche zur individuellen Karriereplanung und die institutsinterne Zusage, die Promotion am FBN abschließen zu können, gibt ihr die nötige Sicherheit. Auch empfindet sie sich bei der Teilnahme an Tagungen nicht benachteiligt. Sie könne dies gut mitgestalten und wenn es familienbedingt mal nicht klappt, wird auch eine Absage akzeptiert.

Es geht darum, bestehende Spielräume im Wissenschaftssystem zu nutzen

Unbenommen aller Unterstützung für den wissenschaftlichen Nachwuchs mit Familie bleiben wie auch für Frau F. die Leistungs- und Zeitanforderungen an den wissenschaftlichen Nachwuchs und Unsicherheiten in der beruflichen Weiterentwicklung unbenommen hoch. Gleichwohl zeigt das Beispiel, welche Entlastungmöglichkeiten innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen Wissenschaftsorganisationen nutzen können und wie sehr dies die Entscheidung, bereits während der Qualifizierungsphase Familie zu gründen und dann auch Familie auf Basis einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung zu leben, erleichtert. Im Übrigen betont Vorstand Prof. Dr. Wimmers , dass die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit Familie keinerlei Einbußen in der Leistung ergab, sich in den letzten drei die Leistungsindikatoren vielmehr weiter verbessert haben.

 

 


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