Unter welchen Bedingungen es gelingen kann, dass sich Mütter und Väter Erwerbs- und Familienarbeit ausgewogen aufteilen und ihre diesbezüglichen Wünsche realisieren können, ist Kernfrage einer neuen WZB-Studie. Im Ergebnis kommen deren Autorinnen zu dem Schluss, dass eine egalitäre Aufgabenteilung umso wahrscheinlicher wird, je familienfreundlicher eine Organisation ist und je stärker diese Familienfreundlichkeit mit Gleichstellungszielen verknüpft ist.
Wachsender Zuspruch für eine egalitäre Aufgabenteilung
In einem einleitenden Teil konkretisieren die Autorinnen die Wünsche der Eltern bezüglich einer ausgewogenen Aufteilung von Arbeit und Familie. Die Befragung der Eltern zeigt einen wachsenden Zuspruch für ein egalitäres Rollenmodell und eine verkürzte Wochenarbeitszeit zwischen 28 und 36 Stunden. Dieses wird bereits von drei von zehn Müttern und von vier von zehn Vätern präferiert. Würden die finanziellen Transferleistungen ausgeweitet, könnten sich zudem mehr Männer vorstellen, statt der zwei, auch vier Monate Elternzeit zu nutzen.
Insgesamt zeigt sich aber auch, dass Paare, die sich eine stärkere egalitäre Arbeitsteilung wünschen, diese aktuell auch zu realisieren suchen und sich weitere Verbesserungen wünschen. Paare, die sich eher entlang traditioneller Muster organisieren, können sich egalitäre Arbeitszeiten zwischen 28 und 36 Wochenstunden für beide Elternteile nur schwer vorstellen. Insgesamt ist künftig verstärkt mit der Parallelität verschiedener Präferenzmodelle zu rechnen und innerbetrieblich zu arbeiten.
Dynamische und flexible Gestaltung der Arbeitsteilung notwendig
Entscheidend für die meisten Eltern ist bereits jetzt, die Arbeitsteilung dynamisch und flexibel gestalten zu können. Angesichts der komplexen Anforderungen aus Erwerb, Kinderbetreuung, Schule, Ausbildung und Familienphasen finden es Eltern zusehends schwierig, sich langfristig auf ein bestimmtes Modell festzulegen. Stattdessen fühlen sie sich herausgefordert, die Arbeitsteilung immer wieder neu verhandeln und ändern zu müssen. Darüber hinaus gewinnen Aspekte der Fairness und des Interessenausgleichs zwischen den Elternteilen zusehends an Bedeutung für die Wünsche und die Zufriedenheit mit den einmal gefundenen Formen der partnerschaftlichen Arbeitsteilung.
Betriebliche Rahmenbedingungen entscheidend
Im Hauptteil der Studie fokussieren die Autorinnen auf die Relevanz der finanziellen und betrieblichen Spielräume, die die notwendigen Voraussetzungen für eine egalitäre Arbeitsteilung darstellen. Dabei konnten sie einige der zentralen Erfolgsfaktoren betrieblichen Engagements isolieren.
Die Realisierung einer egalitären Arbeitsteilung ist umso eher möglich, je eher:
- Flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle vorgehalten und formalisiert sind
- Familienfreundlichkeit mit Gleichstellungszielen verknüpft und auch an Väter adressiert ist
- Die organisatorischen Abläufe so organisiert sind, dass flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle gut genutzt werden können und z.B. familienbedingte Auszeiten und Arbeitszeitreduzierungen kompensiert werden
- Vorgesetzte Familienfreundlichkeit unterstützen und vorleben
- Weder Mütter noch Väter durch Teilzeit eine Gefährdung des beruflichen Fortkommens zu befürchten haben
- Familienfreundliche Maßnahmen betrieblicherseits Allgemeingültigkeit besitzen und selbstverständlich genutzt werden können
- Teilzeitmöglichkeiten für Väter und Führungskräfte bestehen und genutzt werden
- Progressive Rollenvorstellungen betriebsintern vertreten werden
- Flexibel zwischen Vollzeit und Teilzeit gewechselt werden kann
- Arbeitsaufgaben an die vereinbarten Arbeitszeiten angepasst werden
- Arbeitsergebnisse eher eine Rolle spielen als Arbeitszeit
- Modelle einer flexiblen Arbeitsortgestaltung mit klaren Regeln zur Nutzung und Anrechnung dezentralen Arbeitens verbunden sind
Unterschiedliche Ausrichtung betrieblicher Familienförderung typisierbar
Je nach Intensität, in der Betriebe die Voraussetzungen erfüllen, teilen die Autorinnen diese in Organisationstypen ein und unterscheiden zwischen:
- Organisation mit modernisiert-ambivalenter Vereinbarkeitsförderung
- Organisation mit progressiv-universalistischer Vereinbarkeitsförderung
- Organisation mit einem „Beruf vor Privat“-Verständnis und geringer proaktiver Vereinbarkeitsförderung
- Organisation mit egalitär-vollzeitorientierter Vereinbarkeitsförderung
- Organisation mit traditionell-mütterorientierter Vereinbarkeitsförderung
Als Organisationen mit einer progressiv-universalistischen Vereinbarkeitsförderung klassifizieren die Autor*innen all jene Betriebe und Hochschulen, die sich durch eine starke Familienorientierung und große Chancengleichheit von Frauen und Männern hinsichtlich betrieblicher Aufstiegsmöglichkeiten auszeichnen und in denen für Führungskräfte und Väter ausgeprägte Teilzeitmöglichkeiten bestehen. In diesen Betrieben beobachteten die Autor*innen, dass Väter häufiger ihre Arbeitszeit reduzieren und Frauen seltener in eine tradierte Rollenverteilung und Teilzeitarbeit gedrängt werden. Aktuell fanden die Autorinnen gleichermaßen hohe Evidenzen für alle fünf Spielformen.
Checkliste_Welchem Organisationstyp entspricht mein Unternehmen?
Progressiv-universalistisch aufgestellte Organisationen besonders entlastend
Je eher Organisationen in ihrer Familien- und Gleichstellungsstrategie progressiv-universalistisch ausgerichtet sind, umso besser sind die zeitlichen Konflikte zwischen Beruf und Familie aufzulösen. Dort sind 80 Prozent der Väter und 90 Prozent der Mütter mit den gefundenen Zeitarrangements zufrieden.
Grundsätzlich, so ein weiteres Ergebnis der Studie, findet sich eine hohe Familien- und Gleichstellungsorientierung überproportional häufig im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen sowie im öffentlichen Dienst. Unabhängig davon aber ergab die Studie auch, dass es in erster Linie auf den betrieblichen Gestaltungswillen ankommt. Er kann als eine der Schlüsselfaktoren für die familien- und gleichstellungsorientierte Ausgestaltung der betrieblichen Rahmenbedingungen angesehen werden. Und der ist, so das Fazit der Autorinnen, in allen Branchen und allen Betriebsgrößen grundsätzlich möglich.
In diesem Kontext weisen die Autorinnen abschließend darauf hin, dass Verfügbarkeits- und Mobilitätsanforderungen nicht generell auf familienunfreundliche Arbeitsbedingungen schließen lassen. So ist der Anteil der Eltern, die von regelmäßiger Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit berichten, mit über 25 Prozent in Organisationen mit einem progressiv-universalistischen Vereinbarkeitsmodell am höchsten.
Repräsentativität der Ergebnisse gegeben
Die vorliegende Arbeit ist Ergebnis eines Forschungsprojektes am Wissenschaftszentrum Berlin und wertet quantitative und qualitative Daten aus dem Jahr 2015 aus. Anhand leitfadengestützter Befragungen von insgesamt 51 Ehepaaren identifizierten die Forscherinnen betriebliche Faktoren für die Aufteilung von Erwerbs- und Familienaufgaben. Mittels standardisierter telefonischer Einzelinterviews mit 878 Paaren wurden die Faktoren dann auf ihre Relevanz überprüft. Stichprobe und Ergebnisse sind repräsentativ für Eltern mit mindestens einem Kind unter 12 Jahren und mindestens einem abhängig beschäftigten Elternteil.
Bernhardt, Janine, Hipp, Lena und Jutta Allmendinger (2016): Warum nicht fitfty-fifty? Betriebliche Rahmenbedingungen der Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit in Paarfamilien. Discussion Paper SP I 2016-501. Berlin.