Die Kölner Journalistin Sabine Bode beschäftigt sich seit langem mit den Auswirkungen von Kriegstraumatisierungen auf das Leben nachkommender Generationen.
Nachdem sie sich bereits mit den im 2. Weltkrieg Geborenen auseinandergesetzt hat, spürt sie nun mögliche Folgen für deren Kinder auf. Sie nimmt Männer und Frauen in den Blick, die zwischen 1955 und 1970 geboren wurden und oft als die Babyboomer-Generation bezeichnet werden.
Das Buch rekonstruiert entlang biografischer Skizzen mögliche Auswirkungen der Kriegserlebnisse auf das Leben und die Gefühlswelten der heute 45- bis 65jährigen und das ihrer Eltern. In den Schilderungen von 18 Männern und Frauen stellt sie auffallende Parallelen fest.
Ihre Gesprächspartner*innen berichten von lebensprägenden diffusen Zukunftsängsten, einem Mangel an Zuversicht und Halt im Leben, von Kinderlosigkeit und geringer elterlicher Zuwendung und Aufmerksamkeit. Ihre Kindheit war überschattet von der Gemütsverfassung ihrer Eltern, die das im Krieg erfahrene Leid nicht verarbeitet haben.
Auf ihre Fragen ernteten die Kinder Schweigen. Schweigen über Vergewaltigung und Gewalt, Hunger und Bombenangriffe, Kriegstraumatisierungen und Fronterfahrungen. Fast alle Kriegsenkel, die Bode porträtiert hat, haben die Traumatisierungen ihrer Eltern übernommen. Bodes Beispiele zeigen eindrücklich, was die Traumaforschung lange weiß: Werden Kriegstraumatisierungen nicht aufgearbeitet, sondern verdrängt, vergessen und verleugnet, so verschwinden sie keineswegs, sondern werden an die nachfolgenden Generationen weitergegeben.
So wuchs genau die Generation, die in den 70er und 80er Jahren eine scheinbar unbeschwerte Jugend in Friedenszeiten durchlebte, keineswegs unbelastet auf. Vieles, was man sich vielleicht als Kriegsenkel bei den eigenen Eltern und in der eigenen Kindheit nicht erklären konnte, wird nach Lektüre dieses Buches klarer und verständlicher. Erfahrenes kann besser eingeordnet und damit leichter verarbeitet werden.
Sabine Bode (2016): Kriegsenkel: Die Erben der vergessenen Generation. Stuttgart: Klett-Cotta.